Ziel der energetischen Betrachtungsweise ist es, durch die Berechnung von Reibung und Verschleiß, Aussagen über die Lebensdauer und die Zuverlässigkeit von Reibpaarungen zu erhalten.
Ein Großteil der Untersuchungen zu Reibungs- und Verschleißvorgängen beschränkte sich bisher auf die Betrachtung der Reibungszahlen, um mit deren Größe Rückschlüsse auf das Verhalten ähnlicher tribologischer Systeme zu ermöglichen. Für die Reibungszahl gilt allgemein
(3.1) |
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Reibungsart | Reibungszustand | Reibungszahl |
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Gleitreibung | Festkörperreibung | 0,1 ... > 1 |
Grenzreibung | 0,01 ... 0,2 | |
Mischreibung | 0,01 ... 0,1 | |
Flüssigkeitsreibung | 0,001 ... 0,01 | |
Gasreibung | 0,0001 | |
Rollreibung | Mischreibung | 0,01 ... 0,005 |
WR = Wmech = Wtherm + Wchem + Welektr + Wion + Wmech'
Dem Konstrukteur soll die Möglichkeit geschaffen werden, unabhängig von experimentell bzw. empirisch ermittelter Daten, die Lebensdauer und die Zuverlässigkeit von Reibpaarungen abzuschätzen.
Bevor in der Kapiteln Reibung und Verschleiß im einzelnen auf spezielle Methoden und Probleme eingegangen wird, soll an dieser Stelle ein Überblick gegeben und für die anschließenden Kapitel notwendige Grundlagen vermittelt werden.
Basis für sämtliche folgende Überlegungen ist die Energie, welche sich aus dem Produkt von Reibkraft und dem Reibweg berechnet
(3.3) | WR = FR · sR |
Zur quantitativen Bestimmung der einzelnen Reibungsenergieanteile ist es daher notwendig, folgende Parameter eines Reibungsprozesses zu bestimmen:
Die Energiedichte e [J/mm3] ist eine Werkstoffkenngröße zu deren Ermittlung die mechanischen Eigenschaften der Reibkörperwerkstoffe und der Zwischenstoffe hinsichtlich einer Deformation oder Trennung bekannt sein müssen. Die Energiedichte berechnet sich im allgemeinsten Fall als
(3.4) |
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Für den Fall der elastischen und plastischen Deformation wird der E-Modul aus dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm des einachsigen Zugversuchs zur Berechnung der Energiedichte verwendet. Eine qualitativ bessere Annäherung an den Umformprozeß würde die Verwendung eines Formänderungsschaubildes ermöglichen.
An dieser Stelle sei auf folgende Probleme, die Werkstoffkennwerte betreffen, hingewiesen:
Bei der Festkörperreibung werden vorwiegend die oberflächennahen Stoffbereiche beansprucht. Von dieses Bereichen mit ihren besonderen technologischen Eigenschaften (Kaltverfestigung usw.) stehen aber zur Zeit keine geeigneten Kennwerte zur Verfügung, so daß auf die Daten des Grundwerkstoffs zurückgegriffen werden muß.
Eine präzisere Annäherung des Deformationsmechanismus durch die Verwendung von Formänderungsschaubildern kann nicht erfolgen, da für die gebräuchlichen Reibkörperwerkstoffe bis heute keine Fließkurven zur Verfügung stehen.
Die rheologische Deformation von Zwischenstoffen wird in dieser Arbeit auf den Bereich der Schmierfette beschränkt. Während bei der Flüssigkeitsreibung der Energieverlust allein im Schervorgang des Zwischenstoffs besteht, ist bei der Mischreibung zusätzlich der Anteil der Deformation der Reibkörper über den jeweils eingestzten Schmierstoff zu berücksichtigen. Generell sind die Energieverluste durch die rheologische Deformation sehr viel geringer, als die bei der Festkörperdeformation zu verzeichnenden. Aufgrund der komplexen Reaktionen, die der Einsatz von Schmierstoffen nach sich zieht, z.B. Veränderung der Spaltgeometrie, die Eigenschaft des Strukturabbaues und damit die Verminderung der Viskosität (Schmierfettthixotropie) usw., dürfen dessen Einflüsse keinesfalls vernachlässigt werden. Die im einzelnen in den Kapiteln Reibung und Verschleiß aufgeführten Gleichungen zur Beschreibung der rheologischen Deformation beziehen sich, mit der Quantifizierung der Energiedichte, auf den Strukturabbau der Schmierfette.
Die Einschätzung der Energedichte bei der spanenden Deformation erfolgt mit dem Kennwert der spezifischen Schnittkraft. Die Anwendung dieses Werkstoffkennwertes beruht darauf, daß beim Heraustrennen von Werkstoffpartikeln aus den Reibkörperoberflächen (Verschleißteilchenbildung) die Festigkeitsgrenze der Reibwerkstoffe überschritten wird. Es findet quasi ein Abspanprozeß im Bereich der Mikrokontakte statt.
Im Falle der stofflichen Trennung erfolgt die Bestimmung der Energiedichte mit Hilfe des Werkstoffkennwertes der Scherfestigkeit. Begründet wird dies mit der Tatsache, daß die Trennung von stofflichen Verbindungen vorwiegend als Scherung erfolgt [9]. Ein anderer Ansatz zur Ermittlung der Energiedichte beim Trennen stofflicher Verbindungen orientiert sich am Sublimations-Energiedichteniveau der Reibkörper. Grundlage dieser Methode ist ihre Vergleichbarkeit mit der Kohäsions- oder Zerreißenergiedichte [12, 25].
Die Anzahl gleichartiger Energieanteile bedeutet die quantitative Erfassung aller Mikrokontakte elastischer und plastischer Natur, zugehörig dem jeweils aktiven Deformations- bzw. Trennmechanismus innerhalb eines Makrokontaktes. Dazu ist es notwendig, die komplizierte Mikrogeometrie der technologisch bedingt unregelmäßigen Reibkörperoberflächen durch Modelle anzunähern und zu beschreiben. Die Modellierung der Oberflächen- und Kontaktgeometrie erfolgt daher in eigenen Kapiteln.
Die Bestimmung der Anzahl der Mikrokontakte in denen es zu einer stofflichen Trennung kommt ist schwierig. Grundsätzlich gilt: Die Anzahl der Kontakte mit stofflicher Trennung muß in der Gesamtzahl aller Kontakte enthalten sein.
Unter dem Begriff beanspruchtes Volumen versteht man die Deformation der oberflächennahen Stoffbereiche einer Reibpaarung. Die Bestimmung dieses Volumens erfolgt ausgehend vom Einzelkontakt zweier Mikroerhebungen. Das beanspruchte Volumen ist dabei unmittelbar von der Art des Kontaktes, elastisch oder plastisch, abhängig.
Bemerkennswert ist in diesem Zusammenhang der wesentlich geringere Volumenanteil der beim Trennen einer stofflichen Verbindung beansprucht wird. Seine Bestimmung ist schwierig. TROSS gibt für das Verhältnis von deformierten Volumen zu dem durch Trennung beanspruchten Volumen ein Wertebereich von 103 ... 104 an [25]. FLEISCHER hingegen nennt die Größenordnung von 102 ... 103 [9].
Ein weiteres Problem ist die Bestimmung der Reibungsbeanspruchungstiefe. Sie bezeichnet den beanspruchten oberflächennahen Stoffbereich eines Reibkörpers in Abgrenzung zum unbelasteten Grundwerkstoff im Festkörperinnern. Die Beanspruchungstiefen einer Reibpaarung können aufgrund werkstoffbedingter Eigenschaften von Reibkörper zu Reibkörper verschieden sein.
Mögliche Methoden zur Erfassung der Beanspruchungstiefe sind bei elastischer Verformung spannungsoptische bzw. bei plastischen Verformungen metallographische Untersuchungen. Letztere durch Korngrenzenätzung oder Rasterelektronenaufnahmen. Plastische Verformungen kaltverfestigungsfähiger Werkstoffe können außerdem über den Verlauf ihrer Mikrohärte nach der Tiefe beurteilt werden.
Deformationen der Reibkörperoberflächen treten vorwiegend im Zustand der Festkörper- und Mischreibung in Erscheinung. Aufgrund der Mikrogeometrie der Oberflächen (siehe Abb. 2) ist der Kontakt zweier Reibkörper stets diskret, d.h. er erfolgt in einer endlichen Anzahl von Kontaktstellen.
Herstellungsverfahren und Werkstoffeigenschaften sind Ursache für die Regellosigkeit der Reibkörperoberflächen. Um die Makro- bzw. Mikro-Kontaktflächen einer analytischen Beurteilung zugänglich zu machen werden deshalb die Mikroerhebungen sowie der gesamte Berührungsprozeß modelliert.
Durch die Deformation der Wellen innerhalb der nominellen Berührfläche wird die sogenannte Konturenberührfläche gebildet. Innerhalb dieser Fläche befinden sich wiederum die Einzelkontakte die summiert die reale Berührfläche ergeben.
Die Ausbildung der verschiedenen Kontakte ist unmittelbar von der Belastungsintensität und Höhenlage der jeweiligen Mikroerhebungen abhängig. Bei der Auswertung der Oberflächen- bzw. Kontaktgeometrie wird zwischen elastischer, elastisch-plastischer oder plastischer Deformation unterschieden.